Ein Schritt zu weit?

Ein Schritt zu weit? Das Kapitel des Heiligen Servatius und seine Brücke.

Im Mittelalter waren die Zollgebühren eine wichtige Einnahmequelle für Klöster und Kapitel. Dies galt auch für das Sint-Servaaskapitel, das am 22. Juni 1139 vom römischen König Konrad III. (1138-1152) die damals noch hölzerne Brücke über die Maas in Maastricht mit allen daraus resultierenden Einkünften geschenkt bekam, unter der Bedingung, dass die Brücke von diesen Einkünften im Bedarfsfall auch repariert würde. Die zusätzlichen Einnahmen sollten zu gleichen Teilen dem Propst und seinen Nachfolgern sowie dem Refektorium der Mönche für den täglichen Lebensunterhalt zufließen (Urkunde Nr. 5).

Papst Innozenz II. (1130-1143) bestätigte die Schenkung von König Konrad und seiner Frau Geertrui für ihr Seelenheil und das ihrer Vorfahren (Urkunde 6).

Lange Zeit profitierte das Sint-Servaaskapitel von dieser Schenkung, denn die Freuden überwogen in der Regel bei weitem die Lasten. Dies änderte sich im dritten Viertel des 13. Jahrhunderts, als die Brücke durch Überschwemmungen und schweres Eis so schwer beschädigt wurde, dass sie komplett neu gebaut werden musste.

Das Kapitel beschwerte sich daher 1274 beim römischen König Rudolf (1273-1291), dass die Einnahmen aus der ursprünglichen Schenkung nur für die regelmäßige Instandhaltung ausreichten, es aber unzumutbar sei, vom Kapitel die Kosten für den kompletten Neubau der Brücke zu verlangen, da dies "eine Brücke zu weit" sei. Sie baten ihn daher, festzulegen, dass der Dekan und das Kapitel nicht mehr für die Reparatur der Brücke zahlen sollten als die Einnahmen, die sie von der Brücke erhielten, und dass sie von niemandem dazu gezwungen werden sollten (Charta Nr. 39).

In Anbetracht der besonderen Verbindung zwischen dem Sint-Servaaskapitel und den deutschen Kaisern beschloss der römische König Rudolf 1282, die ursprüngliche Schenkung zu bestätigen. Er bestätigt bei dieser Gelegenheit, dass niemand von der Entrichtung eines ordnungsgemäßen und üblichen Wegezolls befreit wird und dass die Einnahmen daraus stets zum Nutzen der Brücke und der Sint-Servaaskirche verwendet werden müssen (Urkunde Nr. 46).

Offensichtlich reichten all diese Privilegien nicht aus, um die Holzbrücke gründlich zu reparieren, so dass sie am 12. Juli 1275 während einer frommen Prozession des Dekans und des Kapitels der Onze-Lieve-Vrouwenkirche in Maastricht und des Chorklerus in religiöser Kleidung und mit Reliquien einstürzte, ein dramatisches Ereignis, bei dem nach Angaben von Zeitgenossen etwa vierhundert Männer und Frauen in der Maas ertranken. Daraus ergab sich die akute Notwendigkeit, die Brücke wieder aufzubauen. Wie sollte man das bezahlen?

Die Mauteinnahmen waren infolge des Brückeneinsturzes selbsrverständlich versiegt. Folglich reichten die Mittel für den Wiederaufbau nicht aus. Daher wurde beschlossen, den Wiederaufbau durch den Verkauf von kirchlichen Ablässen zu finanzieren, eine im Mittelalter weit verbreitete Praxis, die noch in der Renaissance zur Finanzierung des Baus von Sankt-Peter in Rom angewandt und später u. a. von Luther heftig kritisiert wurde. Durch einen offiziellen Ablassbrief wurde schließlich all jenen ein kirchlicher "Ablass" (Sündenvergebung) von vierzig Tagen versprochen, die tatsächlich einen finanziellen Beitrag zum Wiederaufbau der Brücke in Stein leisteten. Dieser Ablassbrief wurde am 29. Januar 1284 von neunzehn Erzbischöfen und Bischöfen in Orvieto besiegelt (Urkunde Nr. 51).

Die neue Steinbrücke, die schließlich zwischen 1275 und 1298, auch dank dieser genialen religiös-finanziellen Konstruktion, gebaut wurde, bestand aus neun Halbkreisbögen aus Namur-Stein und einem Holzbogen auf der Wycker Seite, der im Kriegsfall leicht abgebaut werden konnte. Diese Brücke ist noch heute der direkte Vorgänger der Servaasbrücke, die im 20. Jahrhundert mehrmals umgebaut und verbreitert wurde und heute auf dem Spaziergang als "Aw Brök" (= Alte Brücke) bezeichnet wird.

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