Weinberge an der Mosel

Es war eine stattliche Schar von Würdenträgern, die sich am Hoftag Kaiser Lothars III. im Jahr 1126 in Mainz versammelt hatte: Die Erzbischöfe von Köln und Mainz, die Bischöfe von Lüttich und Worms, die Grafen van Loon, Luxemburg und der Pfalz, der Dekan des Domkapitels von Sint-Servaas in Begleitung von Scholaster, Kantor und Bediensteten und wohl auch - namentlich nicht erwähnt - eine Delegation der Abtei Hersfeld (etwa 40 km nördlich von Fulda). Der Plan war, einen Tausch zu vereinbaren. Das Sint-Servaaskapitel besaß Güter in Monsheim (westlich von Worms) und Dienheim (südlich von Mainz) und wollte diese mit Hersfeld gegen die Kirche des Dorfes Güls an der Mosel, direkt gegenüber von Koblenz, tauschen. Dort besaß das Sint-Servaaskapitel seit alters her Weinberge (Urkunde Nr. 4). Es wird angenommen, dass diese Güter auf eine Schenkung von Zwentibold, dem letzten König von Lothringen (895-900), zurückgehen. Zwentibolds Name ist in Limburg verbunden, mit der Schenkung der Graetheide an vierzehn umliegende Dörfer und darüber hinaus mit der Abtei von Susteren  wo er begraben wurde. Wie dem auch sei, in der Zeit zwischen 928 und 939 verpfändete Herzog Giselbrecht von Lothringen als "Rektor" der Sint-Servaaskirche vorübergehend die Güter in Güls an den Erzbischof von Trier. Zumindest zu diesem Zeitpunkt war es also bereits fester Besitz.

Laut Jocundus, einem Kleriker, der um 1080 das Leben des Sint-Servaas beschrieb, hatte das Kapitel in Güls traditionell eine große "familia", also Einwohner, die als Halbfreie in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Kapitel standen. In dieser Biographie erwähnt derselbe Jocundus ein spektakuläres Wunder, das sich in den Weinbergen von Güls ereignet haben soll. Nachts waren Kinder in den Weinberg eingedrungen und hatten nicht nur Trauben gepflückt, sondern auch Zerstörungen angerichtet. Plötzlich erschien ein alter Mann, der dem Sint-Servaas ähnlich sah, und ermahnte sie. Zur Strafe klebten die Kinder wie "lebende Tote" an den Rebstöcken . Als sie von ihren Familien wiedergefunden wurden, war die Bestürzung groß. In ihrer Verzweiflung beteten sie zu Gott und zu Sint-Servaas um Gnade. Sie versprachen, nie wieder etwas Böses zu tun und das Grab des Heiligen in Maastricht barfuß zu besuchen, wenn sie ihre Kinder wiederbekommen würden. Daraufhin zeigte Sint Servaas seine Macht und die Kinder wurden erlöst. Die Szene mit den raubenden Kindern ist auch auf einem vergoldeten Relief unter der mittelalterlichen Büste von Sint-Servaas in der Schatzkammer der Kirche dargestellt.

Die Weinberge waren für die kirchlichen Institutionen wichtig. Sie lieferten nicht nur Wein für die Liturgie, Wein war aber  auch ein sicheres Getränk, mit dem man bezahlen oder Verträge abschließen konnte. Schließlich war der Verkauf eine wichtige Einnahmequelle. Deshalb legte das Kapitel so viel Wert auf diesen Besitz. Der Wein wurde in Fässern rheinabwärts verschifft, in Köln entladen, mit Karren nach Maastricht transportiert und schließlich in dem großen Keller neben der Kirche gelagert. Dort fand auch der Verkauf an die Bürger statt, übrigens sehr zum Missfallen der Maastrichter Stadtverwaltung, weil auf diesen Handel innerhalb des Gebiets von Sint-Servaas keine Verbrauchssteuer gezahlt wurde.

Mit den Weinbergen an der Mosel verfügte das Kapitel über einen Besitz, der aufgrund seiner großen Entfernung schwer zu verwalten war. Regelmäßig kam es zu Konflikten. So berichten zwei Urkunden aus den Jahren 1263 und 1264 von einem Streit mit den Benediktinern der zwischen Köln und Bonn gelegenen Abtei Siegburg über die Zehnten, die die Mönche von ihren Ländereien in Güls an das Kapitel zu zahlen hatten (Urkunde Nr. 23). Auch später, im 17. Jahrhundert, kam es zu jahrelangen Streitigkeiten mit den Jesuiten der Nachbarstadt Koblenz. Erst die Französische Revolution setzte der Präsenz des Kapitels in Güls ein Ende. Die Kanoniker verschwanden, aber die Winzer blieben und produzieren auch heute noch hervorragende Weine.

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